Donnerstag, 4. Mai 2006

Die Gurken. Die Sauren.

Du hast die sauren Gurken vergessen und wir haben doch nur noch ein Glas, war alles was sie zu sagen hatte, als ich nach einer mehrstündigen Einkaufsfahrt die gekauften Waren vom Auto in die Küche trug. Ausgerechnet die sauren Gurken, die doch keiner von uns beiden mag. Aber falls, argumentierte sie, der K., ein guter Freund von ihr, mal wieder vorbeikommt - er sei schon lange mal wieder überfällig -, dann müssten wir saure Gurken haben, weil er die so gerne möge.
Ausgerechnet der K., der immer unangemeldet auftaucht, mit seinem silbernen Z4 samt Chromfelgen und dem Haus an der Cote d'Azur, der trotzdem spricht wie der niederbayerische Bauer zu seinen Kühen, wenn er sie milkt. Was sie an dem nur findet? Er könne tolle Geschichten erzählen und gut zu hören, hat sie mir ein einziges Mal erzählt, als ich mich beschwerte, dass ich jetzt zum zweiten Mal innerhalb eines Monats saure Gurken hätte kaufen müssen. Trotz all der Antipasti, den frischen Hummern, der Tagliatelle, den Pralinen und dem ordinären Knabberzeug fällt ihr auf, dass die sauren Gurken fehlen, das ist doch nicht normal - aber ich mag diese Genauigkeit meiner Freundin. Jedoch weniger mag ich diesen K.; als wir ihn zufällig mitten in der Nacht in der Stadt trafen und er die Frau des G. und die Tochter der I. jeweils in einem Arm hatte. Beide gut angetrunken, leicht bekleidet; und alle drei auf dem Weg in seine Wohnung. Wie der Hummer und das Antipasti duftet, hoffentlich klingelt es bald; der L. und die R. kommen aber auch immer zu spät, gerade heute wäre das ärgerlich, wenn der Hummer dann übergart wäre. Und wie er sich letztes Silvester, die einzige Party zu der er sich je angekündigt hatte, von uns verabschiedet hat. Mir gab er einen dieser laschen Händedrücke, bei denen man meint, man drückt eine Papaya, die schon vor 3 Wochen besser gegessen worden wäre. Und sie umarmt er stürmisch, schlingt ihr die Arme um die Taille und gibt ihr zwei Küsschen, oder besser: Küsse, auf jede Wange. Der Tisch ist gedeckt, die Gläser funkeln unter dem neuen zwölfarmigen Lüster, und aus der Küche höre ich ein: Jetzt könnten sie aber langsam mal kom...als es an der Tür klingelt. Typisch. Ich renne in die Abstellkammer, wo ein Gurkenglas noch steht, finde mich in unserem Bad wieder, öffne die Kloschüssel, gieße die Gurken, Dillstangen, Möhrchen mit samt Essigtunke hinein und drücke die Spülung. Als ich die Haustür öffne, sehe ich noch immer die Gurken vor mir, die wie in einem Tornado die Kloschüssel entlang rasen und schließlich im Schlund verschwinden. Deswegen wird mir der Satz des L.s auch erst ein paar Sekunden später bewusst. Nein, nein...es gibt schon Hummer und italienisches Gemüse; das Glas hab ich nur in der Hand, weil es abgelaufen war und ich die Gurken leider entsorgen musste. Ich sehe mich noch Jahre später zusammen zucken, als die R. anhebt: Aber ihr mögt doch garkeine sauren Gurken.

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