Erics Weg
Eric wird das nie jemanden erzählen können. Für verrückt würde er gehalten werden, oder zumindest für sonderbar, das weiß er. Und schweigt. Deswegen. Es ist nämlich so, dass Eric einen gewissen Wanderweg als seinen Weg betrachtet. Nicht, dass er jemanden verbieten würde, dort zu gehen. Aber immer wenn er jemandem auf diesem Pfad begegnet, denkt er bei sich, dass der andere den Weg auf keinen Fall so gut kennt, wie er selbst, dass der andere weder quantitativ - Eric geht hier seit gut 8 Jahren jeden Tag, manchmal sogar mehrfach - noch qualitativ - ob Schnee bis zu den Knien, brütende Hitze, Neumond, Weihnachten, Silvester oder am eigenen Geburtstag; Eric läuft, hier - mithalten kann. Deswegen vermeidet es Eric auch längere Reisen zu unternehmen, denn am Tag vor der Abreise läuft er die Strecke schon mal im vorraus. Als Eric vor zwei Jahren einmal dienstlich für drei Wochen nach Shanghai musste, quälte er sich am Tag vor seinem Flug 22 Mal seinen Weg entlang. Eric mag seine Strecke sehr, doch das hat ihm dann auch nicht mehr gefallen - aber was sein muss, muss sein. Da ist er resolut.
Es ist ein schöner Wanderweg, der alles bietet, was man sich nur wünschen kann. Ein paar Hügel, um das Gefühl zu bekommen, dass man etwas getan hat. Große Bäume die im Sommer Schatten spenden. Einen See, der als Abkühlung dient, wenn der Schatten der Bäume nicht mehr ausreicht. Eine wundervolle Aussicht, die für sämtliche Strapazen entschädigt.
Am meisten mag es Eric in tiefster Nacht nur mit einer Kerze bewaffnet seinen Spaziergang zu machen. Es scheint dann immer so, als würden die tiefhängenden Äste ihn berühren wollen, und der See glänzt wie ein Silbertablett. Manchmal beginnt Eric dann den Bäumen sanft die Äste zu schütteln, stellt sich ordentlich mit seinem Namen vor, erzählt warum er hier ist, und verabschiedet sich mit einer leichten Verbeugung wieder. Den Bäumen war das egal.
Doch heute ist alles anders.
Seit Wochen hat es nicht mehr geregnet, der See ist braun, brackig und führt nur noch ganz wenig Wasser, und dem unermüdlichen Eric wurde es irgendwann zu dumm sich am Tag beim Bezwingen seines Wegs zu verausgaben und so beschloss er nur noch nachts zu laufen. Heute will Eric nämlich die Bäume befragen, wann es wieder kühler wird - das ständige Spazierengehen in der Nacht verträgt sich nur ganz schlecht mit seinem Schichtdienst.
So steht er vor seinem Lieblingsbaum, eine etwas morsche, aber riesige Esche, die Kerze schwenkend, um auch die Krone zu beleuchten. "Wann regnet es wieder, Baauum?", fragt er zöglich, ist es doch seine allererste Frage überhaupt, die er an einen Baum richtet, bisher hatte er ihnen ja immer nur was erzählt. Der Baum antwortet nicht. Mit etwas mehr Nachdruck versucht er es diesmal: "Baum! Wann regnet es?". Nichts. Leicht ärgerlich wird Eric etwas lauter: "Baum! Wann regnets?" Keine Reaktion. Drohend streckt er seine Kerze Richtung Äste und schreit: "Verfluchter Baum, wann regnets denn?" Immer noch nichts. Nichts, außer dass Eric mit der Flamme seiner Kerze ein paar verdorrte Blätter an einem Zweig gestreift hat. Sie beginnen zu schwelen. Eric, dem langsam die Lust vergeht, versucht es ein letztes Mal: "Verdammter, verfluchter Baum, wenn du mir nicht sofort sagst, wann es regnet, dann....", er hat keine Ahnung, was "dann" passieren wird, muss er auch nicht, denn gerade bemerkt er, dass die Blätter und der Zweig Feuer gefangen haben und brennen. Geitesgegenwärtig zieht er sein T-Shirt aus und schlägt auf die Flammen ein. Vielleicht hätte er das lieber nicht tun sollen, schubst er doch so diesen brennenden Ast in weitere, die auch sofort Feuer fangen. Sein mittlerweile brennendes T-Shirt lässt Eric fallen, klammert sich an seiner Kerze fest, pustet sie aus und hastet nach Hause - gut, dass er den Weg kennt.
Kurz bevor er sein Haus betritt, blickt er sich noch einmal zu dem Wald um, und sieht einen recht stattlichen Waldbrand. "Gut, dann muss ich jetzt auch keine Feuerwehr mehr rufen und mich verdächtig machen, denn den Brand sieht sicher auch noch jemand anders, und der ruft sie dann", denkt er noch, als auch schon die Feuerwehrsirene der Stadt ertönt.
Er schläft schlecht ein, als wüsste er, dass irgendwas schlimmes geschehen ist, aber beruhigt sich damit, dass er selbst eh nichts tun kann und die Feuerwehr, dass schon in den Griff bekommen wird.
Hat sie aber nicht, wie er am nächsten Abend feststellt, als er durch knöcheltiefe, noch warme Asche läuft, die seinen Weg bedeckt. Die Hitze der Flammen muss auch das letzte Wasser aus dem See geleckt haben, so dass da jetzt nur noch ein Becken voll Tonerde ist.
"Das sieht ja furchtbar aus. Hier kann ich nicht mehr laufen", stellt er ernüchtert fest "nur gut, dass mir der Weg eh nicht soviel bedeutet hat."
Es ist ein schöner Wanderweg, der alles bietet, was man sich nur wünschen kann. Ein paar Hügel, um das Gefühl zu bekommen, dass man etwas getan hat. Große Bäume die im Sommer Schatten spenden. Einen See, der als Abkühlung dient, wenn der Schatten der Bäume nicht mehr ausreicht. Eine wundervolle Aussicht, die für sämtliche Strapazen entschädigt.
Am meisten mag es Eric in tiefster Nacht nur mit einer Kerze bewaffnet seinen Spaziergang zu machen. Es scheint dann immer so, als würden die tiefhängenden Äste ihn berühren wollen, und der See glänzt wie ein Silbertablett. Manchmal beginnt Eric dann den Bäumen sanft die Äste zu schütteln, stellt sich ordentlich mit seinem Namen vor, erzählt warum er hier ist, und verabschiedet sich mit einer leichten Verbeugung wieder. Den Bäumen war das egal.
Doch heute ist alles anders.
Seit Wochen hat es nicht mehr geregnet, der See ist braun, brackig und führt nur noch ganz wenig Wasser, und dem unermüdlichen Eric wurde es irgendwann zu dumm sich am Tag beim Bezwingen seines Wegs zu verausgaben und so beschloss er nur noch nachts zu laufen. Heute will Eric nämlich die Bäume befragen, wann es wieder kühler wird - das ständige Spazierengehen in der Nacht verträgt sich nur ganz schlecht mit seinem Schichtdienst.
So steht er vor seinem Lieblingsbaum, eine etwas morsche, aber riesige Esche, die Kerze schwenkend, um auch die Krone zu beleuchten. "Wann regnet es wieder, Baauum?", fragt er zöglich, ist es doch seine allererste Frage überhaupt, die er an einen Baum richtet, bisher hatte er ihnen ja immer nur was erzählt. Der Baum antwortet nicht. Mit etwas mehr Nachdruck versucht er es diesmal: "Baum! Wann regnet es?". Nichts. Leicht ärgerlich wird Eric etwas lauter: "Baum! Wann regnets?" Keine Reaktion. Drohend streckt er seine Kerze Richtung Äste und schreit: "Verfluchter Baum, wann regnets denn?" Immer noch nichts. Nichts, außer dass Eric mit der Flamme seiner Kerze ein paar verdorrte Blätter an einem Zweig gestreift hat. Sie beginnen zu schwelen. Eric, dem langsam die Lust vergeht, versucht es ein letztes Mal: "Verdammter, verfluchter Baum, wenn du mir nicht sofort sagst, wann es regnet, dann....", er hat keine Ahnung, was "dann" passieren wird, muss er auch nicht, denn gerade bemerkt er, dass die Blätter und der Zweig Feuer gefangen haben und brennen. Geitesgegenwärtig zieht er sein T-Shirt aus und schlägt auf die Flammen ein. Vielleicht hätte er das lieber nicht tun sollen, schubst er doch so diesen brennenden Ast in weitere, die auch sofort Feuer fangen. Sein mittlerweile brennendes T-Shirt lässt Eric fallen, klammert sich an seiner Kerze fest, pustet sie aus und hastet nach Hause - gut, dass er den Weg kennt.
Kurz bevor er sein Haus betritt, blickt er sich noch einmal zu dem Wald um, und sieht einen recht stattlichen Waldbrand. "Gut, dann muss ich jetzt auch keine Feuerwehr mehr rufen und mich verdächtig machen, denn den Brand sieht sicher auch noch jemand anders, und der ruft sie dann", denkt er noch, als auch schon die Feuerwehrsirene der Stadt ertönt.
Er schläft schlecht ein, als wüsste er, dass irgendwas schlimmes geschehen ist, aber beruhigt sich damit, dass er selbst eh nichts tun kann und die Feuerwehr, dass schon in den Griff bekommen wird.
Hat sie aber nicht, wie er am nächsten Abend feststellt, als er durch knöcheltiefe, noch warme Asche läuft, die seinen Weg bedeckt. Die Hitze der Flammen muss auch das letzte Wasser aus dem See geleckt haben, so dass da jetzt nur noch ein Becken voll Tonerde ist.
"Das sieht ja furchtbar aus. Hier kann ich nicht mehr laufen", stellt er ernüchtert fest "nur gut, dass mir der Weg eh nicht soviel bedeutet hat."
Arakasi - 27. Apr, 03:03