Sonntag, 5. Februar 2006

Die Nacht. Die Unvergessene. Zweiter Akt.

Zweiter Akt dieses Dramas, im wörtlichsten Sinne, in dem der Protagonist sich die Dunkelheit mit erfundenem Licht füllt, und sie damit am Ende noch dunkler macht. Es wird Distanz hergestellt, um zu analysieren - das "ich" wird zum "er".

Doch ein paar Minuten später sitzt er erst einmal am Frühstückstisch und isst mit, nach solchen Nächten unbekanntem, Heißhunger mehrere Brötchen mit selbstgemachter Himbeer-Bananen-Marmelade und Honig, aus des Nachbars Bienenstöcken. Es schmeckt, trotz des bitteren Beigeschmacks, der langsam aufkommt, denn die Gedanken haben ihn wieder fest umklammert. Als er die auf seinem Teller liegenden Brösel auf sein Messer schieben will, um sie auch noch zu verzehren - wie gesagt: Heißhunger -, kaut er auf der Frage herum, was er denn während der langen Dunkelphase gemacht haben könnte. Einige Szenarien werden durchgespielt. Nachdem er sich entschieden hat, doch noch nach einem weiteren Brötchen - tatsächlich: echter Heißhunger - zu greifen und damit die Bröselaufsammelaktion von vorher zu Nichte zu machen, huscht ein Grinser über sein Gesicht. Während er die Butter auf dem Brötchen verstreicht, erkennt man ein leichtes Kopfschütteln nebst einem angewidertem Gesichtsausdruck. Und mit dem ersten Bissen in das, diesmal mit Hiffemark überzogene, Brötchen, liegt leichtes Entsetzen in seinen Zügen - er ist beim worst-case Gedankenspiel angekommen. In diesem tritt jemand immer wieder auf. Einmal als Hauptdarstellerin: der Anti-Held unterhält sich wutentbrannt mit ihr und scheidet am Ende im Streit. Oder als Nebendarstellerin: er unterhält sich mit jemand anderem zu deutlich und offen über sie, dabei blickt er die ganze Zeit gebannt in ihre Richtung. Und schließlich als Statistin: sie sitzt abseits, ohne von ihr Notiz zu nehmen, macht er verrenkende Tanzbewegungen und geht ein paar mal unter dem Gelächter der Anderen zu Boden. Er räumt ab, schnappt sich seine Büchertasche und den Ordner, steigt, noch immer etwas unsicher, die Treppe zum Windfang hinauf. Als er sich hinkniet um seine Schuhe sich zu binden, bekommt er die Bestätigung, dass die Tanzen-und-zu-Boden-gehen-Vorstellung der Wahrheit sehr nahe kommen könnte: ein großer, gelber, siffiger Fleck prangt mitten auf seinem linken Knie. Er zieht sich den Schuh wieder aus, und während er sich eine frische Hose sucht, wird er von der Hoffnung beherrscht, er möge mit den beiden ersten Vorstellungen weiter weg liegen als mit der letzten - sehr viel weiter. Er kann dieses Bangen auch auf der Fahrt in die Schule nicht abstreifen. Auf der Fahrt in die wirklichen Geschehnisse der letzten Nacht.

Ein paar Stunden später war die Dunkelheit noch immer ziemlich finster.

- Fortsetzung folgt -
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