Freitag, 16. Juli 2010

Romantik II

Den Abend hindurch auf Decken gelegen im Schatten von tauben Bäumen. Du auf diesem schottischen Kilt Muster und ich auf gold-beige - eine Farbe wie ein Anachronismus. Es war nicht mehr so heiß wie die Tage zuvor, als Städte darum wetteiferten einen Hitzerekord zu brechen, und wenn eine Brise aufkam, war sie angenehm warm. Einen Rucksack als gemeinsames Kopfkissen missbraucht, waren wir zuerst versunken in Bildern, die eine Weile brauchten, um der Kälte zu entfliehen und dann in bewegten Bildern, bei denen ich mich an kaum etwas erinnern kann als an die Stimmen, warst du es, die über uns etwas bedrohlich Graues ausmachte. Flucht. Zuflucht unter einer Brücke. Die Decken nun übereinander gelegt, um der Härte des Asphalts Paroli zu bieten. Der Regen nahm in Riesenschritten und wenigen Sekunden den Parkplatz neben uns für sich ein und dann: wummern, grollen, donnern, Füße, die durch Pfützen rennen und Blitze, die waagrecht wie geschnitten Brot in der Luft liegen. Das Riesenrad vom Jahrmarkt still stehend als wäre der nimmermüde Hamster endlich eingeschlafen, und nachdem die Achterbahn noch ein paar kreischend Unerschrockene transportiert hat, stellte auch sie ihren Dienst ein.
Wir knien, sitzen, liegen auf den Decken und betrachten fasziniert das Gewitter. Wenn ich mich zu dir wende, sehe ich den Himmel nicht mehr, sondern nur noch ein Gesicht, das gebannt jede Regung des Himmels verfolgt und wundervoll in Gewitterblitzlicht erstrahlt. Ich wünsche, ich könnte in mehrere Richtungen zu gleich blicken. Das Wasser peitscht von außen unter die Brücke und Rinnsale nähern sich unserer Deckeninsel immer weiter an - aber werden uns später um einen guten Meter verfehlt haben. Derweil lenken wir uns immer häufiger gegenseitig vom Gewitter ab.
Irgendwann musste auch dieses Donnerwetter an Stärke verlieren und die Musik vom Jahrmarkt drang langsam wieder bis zu uns durch: einzelne Blitze verteidigten sich gegen "Sternenhimmel". Die besondere Nach-Gewitter-Luft atmeten wir eng aneinander liegend, die Decken gegen die Nässe inzwischen vierfach übereinander gelegt, wieder an unserem Ausgangsort ein. Zweimal schliefen wir dort (fast) ein, zwei Mal weckte uns ein halbminütiges Regenschauerchen, was wir als Zeichen werteten nach Hause zu gehen. Du dein Fahrrad schiebend, ich die klammen Decken unter dem Arm geklemmt, spazierten wir zu dem Punkt an dem sich unsere Wege trennten.

Auf der Wäscheleine meines Balkons hängen zwei Decken und trocknen vor sich hin.

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