Freitag, 27. Januar 2006

Die Unterbrechung. Die Unpassende.

Eine spanische Zeitschrift in der Hand haltend, ein ausdrucksloses Gesicht aufgesetzt, hin und wieder ein schmales Lächeln oder einzeilige Sätze, die sie für das allgemeine Gespräch übrig hat. Ich rede, lache, höre zu - ich sitze neben ihr. Das Gespräch der anderen entgleitet meiner Aufmerksamkeit - denn ich sitze neben ihr. Zwei nichtssagende Fragen, die ich ihr stelle, werden mit 2 exakten, kurzen Antworten beiseite gewischt - aber ich sitze neben ihr. Der Zeigefinger ihrer rechten Hand schlägt in einem unregelmäßigen Rhythmus gegen ihren linken Handrücken. Sie rückt Millimeter von mir weg, nur um bequemer zu sitzen; sie rückt Millimeter auf mich zu, nur um mir nahe zu sein. Ich versuche es mir einzureden. Vergebens. Sie starrt einen Artikel, der über irgendein Geschehen in Spanien berichtet, um mehr zu erkennen reichen meine fünf Lektionen Spanisch nicht aus, an. Ob sie wirklich liest, ich bin nicht sicher. Ob sie den Inhalt behält, ich halte es für unwahrscheinlich. Sie ist nervös, unruhig, befangen - denn ich sitze neben ihr.
Ich lege mir Sätze im Kopf zurecht, stelle sie um, lösche sie, greife sie doch wieder auf; die Zeit vergeht. Ich kann mich auf keinen Satz einigen. Der Raum leert sich. Plötzlich ist kein Mensch mehr um uns herum. Das ist der Augenblick. Ich sehe klar, verfluche vorgefertigtes Wörtergesülze, gebe der Spontanität Raum, atme kurz, flach ein und sage: "Wollen wir uns am Wochenende mal auf einen Kaffee treffen?
Jemand kommt ins Zimmer, steuert auf uns zu, spricht sie an, zerstört Möglichkeit und Augenblick; ich verstehe kein Wort, bin erstarrt. Sie steht auf und geht mit ihm aus dem Raum zur nächsten Stunde.
Nachdem ihn ihn kurz verteufelt, in Gedanken umgebracht und mich selbst bemitleidet habe, stehe ich auf, packe meine Büchertasche und bewege mich Richtung E16.
Ich kann mir nichts vorwerfen, weil ich weiß, dass ich sie angesprochen und eingeladen hätte - denn ich saß neben ihr.

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