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Diesen Tag vergessen. Diesen Tag vergessen. Diesen Tag vergessen.
Arakasi - 17. Apr, 19:30
Diesen Tag nicht vergessen. Diesen Tag nicht vergessen. Diesen Tag nicht vergessen.
Arakasi - 14. Nov, 23:34
Als Henrik seinen Porzellanteller aus der Spülmaschine nahm, sah er was er angerichtet hatte: Die Farben des chinesischen Drachens waren verblasst, die Konturen verschmiert; er glich jetzt eher einer überfahrenen Eidechse als dem majestätischen Mythenmonster, das er einmal gewesen war. Ungläubig betastete Henrik den noch warmen Teller. Warum hatte er ihn in die Spülmaschine getan? Und wann? Er konnte sich nicht erinnern. Sein Blick schweifte vom Tellerrand, über die Dächer der Stadt, die er durch sein verschmutztes Fenster gerade so noch erkannte, zum Meer, wo er verharrte. Mit der rechten Hand tastete er nach der Schublade in der sein Mülleimer stand. Langsam zog er sie auf und ließ den Teller hinein gleiten. So verlor er seinen Lieblingsteller.
Arakasi - 30. Sep, 21:18
Calin kauft sich eine große, rosa-rote Zuckerwatte, um sie sich völlig in beide Ohren zu stecken, weil sie den immer gleichen Gong (teng-tang-tung) auf den Bahnhöfen nicht mehr hören kann. Von nun an dringt nur noch Süßebenholzgeraspel an ihre feinen, spitzen, zwei Ohren. So merkt sie auch nicht, dass der Mann sie im Zug überfallen möchte, nimmt ihm galant sein Messer aus der Hand und stopft sich damit die Zuckerwatte noch tiefer in die Ohren. Als der Mann Anstalten macht sie mit bloßen Händen angreifen zu wollen, sieht Calin endlich alles Schlechte und Böse in seinen Augen, und ihr bleibt nichts anderes übrig, als ihm sein Messer tief in die Kehle zu rammen.
Verstört über ihre Tat kauft sich Calin am nächsten Tag zusätzlich zur rosa-roten Zuckerwatte noch frische, rote, zwei Tomaten.
Arakasi - 20. Jun, 01:34
Moulin Rouge hängt, traumesschwer, über meinem Bett.
Doch viel zu bunt und impressionistisch.
Ich will Verruchtheit und Realismus und
drehe mich um und
niemand liegt neben mir.
(Vor dem Fenster taucht die Silhouette Marilyn Monroes unter
im Wasserbecken gleich neben dem Eiffelturm)
Unbeäugte Mörtelstellen nehmen
Platz auf dem hölzernen Stuhl,
wo meine alten Socken liegen.
Die klappernde Klosettspülung kitzelt
Geheimnisse durch die Zimmerwände.
Zwischendurch: mein Atmen, keuchend,
ob des unvermeidlichen, offenen Ausgangs (aus dem Zimmer?)
So schabe und grabe ich mit meiner Hasenpfote
ein Loch, barockgroß, in die Wand.
Arakasi - 20. Jun, 01:28
Sagen sich Hase und Fuchs "Gute Nacht". Der Hase meint das wirklich so. Der Fuchs beißt ihm kräftig in den Rücken.
Die Moral kann sich gegen Fortuna nur durch unerlaubte Tiefschläge zur Wehr setzen, aber das macht nichts, denn Fortuna landet einen "lucky punch" und gewinnt durch K.O. in der 139. Runde.
Arakasi - 5. Mai, 20:11
Ich schlage mit dem Kopf auf dem Boden auf. Einfach so, aus heiterem Himmel. Die Platzwunde muss wohl irgendwo auf meinem Vorderkopf sein, denn mir läuft das warme Blut die Stirn hinunter, die Nase entlang, über meine fest zusammen gepressten Lippen hinweg und schließlich tropft es vom Kinn auf den Boden. Dort kriecht es über eine ganze Reihe von Pflastersteine und versinkt, so selbstverständlich, als wäre es meine Herzkammer, in einem gusseisernen Kanaldeckel. Fasziniert sehe ich zu. Eine Matratze und eine Decke wünsche ich mir, da die Unterlage hart und es um mich herum bitterkalt ist. Aber ansonsten bin ich ganz glücklich. Es hat ja so kommen müssen, ich wusste es. Aber als es dann geschah, war ich doch überrascht. Ich kann doch nicht immer mit gesenktem Kopf durch die Straßen laufen, immer nur die eigenen Schuhspitzen betrachten, und gleichzeitig mit den Armen den Himmel zu mir herunter ziehen wollen. Besonders Nachts. Irgendwann musste ich stolpern. Inzwischen bildet sich wohl so etwas wie eine Lache um mich herum, da der Kanal überschäumt; vielleicht vor Wut, weil ich ihn so missbrauche. Das wollte ich nicht, wollte mich nicht nur auf mich konzentrieren und trotzdem erwarten, dass die Welt direkt hinter der Haustür nur auf mich wartet. Mich mit offenen Armen empfängt, statt mich in den Morast zu stumpen. Hey, streunender Köter, verpiss dich aus meinem Blickfeld, ich will den Kanaldeckel sehen und schau mich nicht so mitleidig an. Schau mich vorwurfsvoll an, zornig, enttäuscht, aber um Himmels Willen nicht mitleidig. Mir geht es gut...fast. Wie gesagt, eine Matratze und eine Decke wären wundervoll. Alles andere hat einfach seinen Lauf genommen. Einmal, zweimal, dreimal habe ich den den Anschluss nicht bekommen, fand ich den roten Faden nicht mehr, es dauerte dann zwar noch eine Weile bis der Faden völlig von der Rolle lief, aber dann verlor ich ihn endgültig. Abstraktes Gedanken-Geblubber. Oh, wie hübsch, mein Blut gefriert; ha, da verzieht sich jetzt endlich auch der Köter, bekommt es wohl mit der Angst zu tun. Cooling all the blood to slush|That congeals around the again|La la la. Sehr, sehr hübsch das Ganze, aber macht die ganze Angelegenheit hier auch noch etwas kälter. Vielleicht hätte ich so egoistisch sein müssen, und dem schlafenden Penner in der anderen Straße da, seine Decke unter seinem Arsch wegziehen müssen. Mir war doch vorhin schon kalt. Ich muss einfach häufiger an mich selbst denken, so geht das nicht. Aber ich muss auch für neue Sachen offen sein. Klingt plausibel und schal. Kann ich nicht ganz anders sein als alle anderen, so dass diese abgedroschenen Phrasen nicht auf mich zutreffen können? Ich will das man neue, aber schöne, Wörter erfinden muss, um mich zu beschreiben. Woher kommt denn diese Ratte jetzt? Die knabbert nicht an dem Blut-Eis, oder? Das ist wirklich eklig. Aber ich könnte auch keiner Ratte was zu leide tun, und zu fürchten haben sie auch nichts, da ich doch nur emotionales AIDS habe, und deswegen verletzte ich ja andere so häufig - hoffentlich nicht chronisch. Menschen, mein ich. Wo ist denn nur der tolle Hund hin? Der könnte doch die Ratte vertreiben! Die schleckt und schleckt an meinem Blut. Ich hätte auch mal Blut lecken sollen; Blut am eigenen Leben lecken sollen. Nicht dieses ganze Meta-Nachdenklichkeit, und diese Antriebslosigkeit, wenn es mir mal nicht so gut ging. Aber mein Leben ist immer woanders, ich konnte es nicht finden. Das ist zwar jetzt eine Ausrede, aber eine stilvolle. Ist ja auch geklaut, zum Teil. So, lange genug hier faul herum gelegen, jetzt aber Aufstehen, mich notdürftig von Blut an Kopf und Gesicht befreien und dann ab nach...wo wollte ich eigentlich hin? Nicht so wichtig. Einfach nach vorne. Oh, ich spüre meine Beine nicht mehr. Na, dann krieche ich eben, und ziehe mich mit den Armen vorwärts. Das ist zwar langsamer, aber ich kann auch nicht mehr von so weit oben Aufschlagen. Wo ist das nächste Krankenhaus? Ich brauch erst die Pillen gegen dieses emotionale AIDS - und dann wohl ein großes Pflaster für den Kopf.
Arakasi - 29. Apr, 00:00
Eric wird das nie jemanden erzählen können. Für verrückt würde er gehalten werden, oder zumindest für sonderbar, das weiß er. Und schweigt. Deswegen. Es ist nämlich so, dass Eric einen gewissen Wanderweg als seinen Weg betrachtet. Nicht, dass er jemanden verbieten würde, dort zu gehen. Aber immer wenn er jemandem auf diesem Pfad begegnet, denkt er bei sich, dass der andere den Weg auf keinen Fall so gut kennt, wie er selbst, dass der andere weder quantitativ - Eric geht hier seit gut 8 Jahren jeden Tag, manchmal sogar mehrfach - noch qualitativ - ob Schnee bis zu den Knien, brütende Hitze, Neumond, Weihnachten, Silvester oder am eigenen Geburtstag; Eric läuft, hier - mithalten kann. Deswegen vermeidet es Eric auch längere Reisen zu unternehmen, denn am Tag vor der Abreise läuft er die Strecke schon mal im vorraus. Als Eric vor zwei Jahren einmal dienstlich für drei Wochen nach Shanghai musste, quälte er sich am Tag vor seinem Flug 22 Mal seinen Weg entlang. Eric mag seine Strecke sehr, doch das hat ihm dann auch nicht mehr gefallen - aber was sein muss, muss sein. Da ist er resolut.
Es ist ein schöner Wanderweg, der alles bietet, was man sich nur wünschen kann. Ein paar Hügel, um das Gefühl zu bekommen, dass man etwas getan hat. Große Bäume die im Sommer Schatten spenden. Einen See, der als Abkühlung dient, wenn der Schatten der Bäume nicht mehr ausreicht. Eine wundervolle Aussicht, die für sämtliche Strapazen entschädigt.
Am meisten mag es Eric in tiefster Nacht nur mit einer Kerze bewaffnet seinen Spaziergang zu machen. Es scheint dann immer so, als würden die tiefhängenden Äste ihn berühren wollen, und der See glänzt wie ein Silbertablett. Manchmal beginnt Eric dann den Bäumen sanft die Äste zu schütteln, stellt sich ordentlich mit seinem Namen vor, erzählt warum er hier ist, und verabschiedet sich mit einer leichten Verbeugung wieder. Den Bäumen war das egal.
Doch heute ist alles anders.
Seit Wochen hat es nicht mehr geregnet, der See ist braun, brackig und führt nur noch ganz wenig Wasser, und dem unermüdlichen Eric wurde es irgendwann zu dumm sich am Tag beim Bezwingen seines Wegs zu verausgaben und so beschloss er nur noch nachts zu laufen. Heute will Eric nämlich die Bäume befragen, wann es wieder kühler wird - das ständige Spazierengehen in der Nacht verträgt sich nur ganz schlecht mit seinem Schichtdienst.
So steht er vor seinem Lieblingsbaum, eine etwas morsche, aber riesige Esche, die Kerze schwenkend, um auch die Krone zu beleuchten. "Wann regnet es wieder, Baauum?", fragt er zöglich, ist es doch seine allererste Frage überhaupt, die er an einen Baum richtet, bisher hatte er ihnen ja immer nur was erzählt. Der Baum antwortet nicht. Mit etwas mehr Nachdruck versucht er es diesmal: "Baum! Wann regnet es?". Nichts. Leicht ärgerlich wird Eric etwas lauter: "Baum! Wann regnets?" Keine Reaktion. Drohend streckt er seine Kerze Richtung Äste und schreit: "Verfluchter Baum, wann regnets denn?" Immer noch nichts. Nichts, außer dass Eric mit der Flamme seiner Kerze ein paar verdorrte Blätter an einem Zweig gestreift hat. Sie beginnen zu schwelen. Eric, dem langsam die Lust vergeht, versucht es ein letztes Mal: "Verdammter, verfluchter Baum, wenn du mir nicht sofort sagst, wann es regnet, dann....", er hat keine Ahnung, was "dann" passieren wird, muss er auch nicht, denn gerade bemerkt er, dass die Blätter und der Zweig Feuer gefangen haben und brennen. Geitesgegenwärtig zieht er sein T-Shirt aus und schlägt auf die Flammen ein. Vielleicht hätte er das lieber nicht tun sollen, schubst er doch so diesen brennenden Ast in weitere, die auch sofort Feuer fangen. Sein mittlerweile brennendes T-Shirt lässt Eric fallen, klammert sich an seiner Kerze fest, pustet sie aus und hastet nach Hause - gut, dass er den Weg kennt.
Kurz bevor er sein Haus betritt, blickt er sich noch einmal zu dem Wald um, und sieht einen recht stattlichen Waldbrand. "Gut, dann muss ich jetzt auch keine Feuerwehr mehr rufen und mich verdächtig machen, denn den Brand sieht sicher auch noch jemand anders, und der ruft sie dann", denkt er noch, als auch schon die Feuerwehrsirene der Stadt ertönt.
Er schläft schlecht ein, als wüsste er, dass irgendwas schlimmes geschehen ist, aber beruhigt sich damit, dass er selbst eh nichts tun kann und die Feuerwehr, dass schon in den Griff bekommen wird.
Hat sie aber nicht, wie er am nächsten Abend feststellt, als er durch knöcheltiefe, noch warme Asche läuft, die seinen Weg bedeckt. Die Hitze der Flammen muss auch das letzte Wasser aus dem See geleckt haben, so dass da jetzt nur noch ein Becken voll Tonerde ist.
"Das sieht ja furchtbar aus. Hier kann ich nicht mehr laufen", stellt er ernüchtert fest "nur gut, dass mir der Weg eh nicht soviel bedeutet hat."
Arakasi - 27. Apr, 03:03
Die weißen Orchideen in ihren roten Haaren
schneidet sie ab; und die Haare gleich mit.
Unverzeihlich. Aber sie kann doch nicht immer
nach dem Waschen warten bis sie trocknen und
die Blumen waren verblasst und stanken schon.
Ihre Brille legt sie auf die Fließen und springt
mit Anlauf darauf. Ungenügend. So reißt sie sich
die Augäpfel heraus und tut sie in einen Glas
neben ihrem Bett, denn sie kann doch nicht
immer warten bis sie morgens die Augen öffnet.
Überdrüssig ist sie ihrer Fingernägel. Deshalb zupft
sie diese einzeln heraus und schnippt sie aus dem
Fenster. Unvorstellbar. Aber sie kann doch nicht
immer warten bis der Nagellack getrocknet ist. Und
die Zeit fürs Schneiden spart sie auch für eine Weile.
So sitzt sie kurzhaarig, blind und fingernägellos vor
dem Telefon. Und wählt und wählt immer die gleiche
Nummer, vergebens. Und tippt Kurznachricht nach
Kurznachricht, umsonst. Er geht nicht an das Telefon
und schreibt nicht zurück. Aber das macht nichts.
Sie kann ja warten bis er sich endlich meldet.
Arakasi - 9. Apr, 00:36
Ich wollte schon immer mal wissen, ob ich eigentlich die personifiinfizierte Pest bin.
Arakasi - 6. Apr, 21:57