Verzerrt geblickt
Ich träume so selten - etwas woran ich mich nach dem Aufwachen erinnern kann.
Vielleicht deswegen die ganzen selbst erdachten Visionen und Utopien?
Gerade bin ich mir nicht sicher, ob diese auch nur den berühmten Funken Wahrheit, und die nicht weniger bekannte harte Realität, enhalten.
Verzweifelt klammere ich mich, wie ein Schiffbrüchiger an seine Planke, an digitale Aufzeichnungen, die mir beweisen sollen, dass Erlebnisse tatsächlich geschehen sind. Wie der Schiffbrüchige den Horizont nach Land oder Schiffsbewegungen absucht, so suche ich nach Regungen von dir.
Irgendwann, gar nicht so viel später, verdurstet der Schiffsbrüchige, denn Salzwasser taugt soviel zum Überleben wie Hoffnung.
- Nichts.
post scriptum:
In selten Fällen werden Schiffbrüchige tatsächlich gesucht - und sogar gerettet.
Arakasi - 7. Jan, 01:38
Nur eine kleine Unachtsamkeit des Schicksals, völlig unnötig und überflüssig, und schon schlittere ich in das tiefe, dunkle Loch. Doch das lasse ich nicht mit mir machen - diesmal. Ich beschließe erst noch sieben Tage lang zu fallen, in der Schwebe zu sein, dem siebten Himmel, aber auch dem Lochboden fern zu bleiben, ehe ich sanft aufschlagen werde. Du Schicksal, du schillernder Regenbogen eines räudigen Nachthimmels, gib mir noch eine Möglichkeit mich an ihren Haaren selbst aus dem Verlies zu ziehen.
Arakasi - 20. Sep, 23:28
Es war ein Fehler seine schwarzen Armani Mokassins samt Socken in eine Mülltonne zu werfen, nur damit ein Obdachloser bei der nächsten Flut ordentliche Schuhe hat. Aber Yann läuft gerne barfuss, wenn die Straße so warm ist, dass sie durch die Füße den ganzen Körper wärmt und die Gegend ausgestorben ist.
Zu fünft waren wir in die Nacht aufgebrochen. Noch bevor wir die erste Bar betreten hatten, verloren wir Pierre. Seine Nachbarin rief auf seinem Handy an, und erzählte ihm, sie würde Kotzgeräusche aus seiner Wohnung hören. In der Befürchtung, dass sein einziger Mitbewohner, sein Hund, den versteckten Schokoladenvorrat geplündert hatte, rannte Pierre zur nächsten U-Bahn Station. Als nächstes, gerade betraten wir die Garderobe der ersten Bar, musste sich Rick verabschieden. Ihm würde eben einfallen, weshalb seine Frau seitdem er von der Arbeit zu Hause war, ihm gegenüber sehr gereizt reagierte, teilte er uns mit. Joe brummelte etwas von "Hochzeitstag vergessen?", Quentlin fügte noch ein "oder gar ihren Geburtstag?" hinzu. Nein, diese Ereignisse wären für dieses Jahr schon überstanden, versicherte uns Rick. Er hätte sich heute Nachmittag doch nur frei nehmen sollen, weil da die Beerdigung ihres Vaters war. Hoffentlich kann das einen Blumenstrauß wieder gut machen, sprach er, und verschwunden war er in Richtung der nächsten Tankstelle. Nach der ersten Runde Bier verdrückte sich Joe erst einmal auf die Toilette und nach exakt 37 Minuten - wir stoppen so etwas immer -, in Begleitung einer leichtbekleideten Blondine - die Geldscheine schauten noch aus ihrem BH hervor -, zu sich nach Hause. Sein Siegeszwinkern haben Quentlin und ich auch jetzt noch, nach einem halben Dutzend Tequila Runden, vor Augen. Gerade debattierten wir lautstark darüber, ob "Garden State" oder "Kontroll" den jeweils passenderen Soundtrack besitzen, als Quentlin mitten im Satz mit dem Kopf auf den Tisch knallte. Angewidert von seinen Speichelfäden, die sich auf den Tisch ergossen, legte ich einen Fünfziger auf den Tisch und stürze aus der Bar.
Über Yanns warme Füße läuft sein warmes Blut. Nur mit dem Gedanken beseelt sich sein eigenes, kleines Stück Freiheit aufheben zu wollen, war er mitten in einen Scherbenhaufen gelaufen. "Bei Flut braucht man außerdem keine Schuhe!", schießt es ihm durch den Kopf, ehe er durch den großen Blutverlust geschwächt, in den Scherbenhaufen stürzt.
Arakasi - 16. Sep, 01:19
Der speierne Hund blickte ungläubig auf, als die schweren, gummierten Reifen ihn überfuhren - und das bei Vollmond. Der Fahrer des sechs-achsigen Lastwagens, so wird er später berichten, hätte aber auch nicht bremsen können, denn zu kostbar und fragil war seine Ladung, Kristallkugeln, und zu spät hätte er den Hund kommen sehen.
Die dreizehnjährige Sara, die gerade auf dem Heimweg von ihrer Freundin war, hörte nur ein ein lautes "Krscht" und sah dann das blutige Fellknäuel auf der Straße liegen. Vergnügt, dass sie es nicht ist, die da liegt, geht sie die letzten Meter zu ihrem Elternhaus.
Arakasi - 8. Sep, 18:23
Wie die Verkäuferin an der Fleischtheke, die fragt, ob es denn etwas mehr sein dürfe; wie der Mann vor dem Zigarettenautomaten, der fragt, ob man ihm denn 20€ klein machen könnte; wie die Schaffnerin im Zug, die einen darauf hinweist, dass man seine Fahrkarte noch nicht unterschrieben hat; so ist Aaerie - jemand den man ansieht, aber sobald er nicht mehr vor einem steht, schon wieder vergessen hat. Aaerie hatte noch nie einen Freund, denn wenn es einmal so weit kam, dass die Telefonnummern ausgetauscht wurden, so wunderte sich der andere, sobald er wieder in sein Telefonbuch schaute, wer denn dieser erste Eintrag, diese "Aaerie" sei. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass man Aaerie vergaß; sie ist sehr hübsch, intelligent und kultiviert - doch alles was sie von sich gibt, ist so belanglos, dass selbst der triebgesteuertste Mann keinen Gefallen an ihr finden kann. Es wird, wenn sie stirbt, keine Todesanzeige geben, da niemand sie mehr kennen wird, aber würde es eine geben, stünde darin: "Sie kannte das Leben, aber niemand kannte sie." Ihr Leben besteht aus Einsamkeit, Verzweiflung und Erinnerungen an Unterhaltungen mit Menschen, an die nur sie sich noch erinnert und zwar an jedes Detail und jede Nuance. Vielleicht macht diese Tatsache ihre Einzigartigkeit aus - eine Einzigartigkeit, die nichts positives inne hat.
Arakasi - 19. Jun, 23:29
Der Geier fliegt über den kalten, rohen Wüstenboden hinweg. Vieles hat sich verändert in den letzten Wochen. Er, der vor ein paar Monaten erst sein Sommerkleid angelegt hat, friert erbärmlich. Er spüre die Veränderung ja schon seit Jahren, klagt er und fliegt der verdunkelten Sonne entgegen. Das Aas, bemerkt er bitter, ist auch deutlich zurückgegangen. Letztens hatte er doch, um nicht vor Hunger zu krepieren, tatsächlich das erste gefrorene Stück seines Lebens zuerst heraushacken und dann verspeisen müssen. Widerlich - und kalt. Das macht er nicht noch einmal, beschließt er, ehe ihm zuerst die Federn von der Haut, und schließlich die Haut von den Knochen abfällt. Mir ist so furchtbar kalt, durchzuckt seinen bleichen Schädel noch kurz, ehe er verwest und der Wind seinen Staub weiter Richtung Sonne treibt. Irgendwann, oder auch Äonen später, verbrennt die Sonne diesen Staub - ehe sie verlöscht.
Arakasi - 30. Mai, 00:14
Du hast die sauren Gurken vergessen und wir haben doch nur noch ein Glas, war alles was sie zu sagen hatte, als ich nach einer mehrstündigen Einkaufsfahrt die gekauften Waren vom Auto in die Küche trug. Ausgerechnet die sauren Gurken, die doch keiner von uns beiden mag. Aber falls, argumentierte sie, der K., ein guter Freund von ihr, mal wieder vorbeikommt - er sei schon lange mal wieder überfällig -, dann müssten wir saure Gurken haben, weil er die so gerne möge.
Ausgerechnet der K., der immer unangemeldet auftaucht, mit seinem silbernen Z4 samt Chromfelgen und dem Haus an der Cote d'Azur, der trotzdem spricht wie der niederbayerische Bauer zu seinen Kühen, wenn er sie milkt. Was sie an dem nur findet? Er könne tolle Geschichten erzählen und gut zu hören, hat sie mir ein einziges Mal erzählt, als ich mich beschwerte, dass ich jetzt zum zweiten Mal innerhalb eines Monats saure Gurken hätte kaufen müssen. Trotz all der Antipasti, den frischen Hummern, der Tagliatelle, den Pralinen und dem ordinären Knabberzeug fällt ihr auf, dass die sauren Gurken fehlen, das ist doch nicht normal - aber ich mag diese Genauigkeit meiner Freundin. Jedoch weniger mag ich diesen K.; als wir ihn zufällig mitten in der Nacht in der Stadt trafen und er die Frau des G. und die Tochter der I. jeweils in einem Arm hatte. Beide gut angetrunken, leicht bekleidet; und alle drei auf dem Weg in seine Wohnung. Wie der Hummer und das Antipasti duftet, hoffentlich klingelt es bald; der L. und die R. kommen aber auch immer zu spät, gerade heute wäre das ärgerlich, wenn der Hummer dann übergart wäre. Und wie er sich letztes Silvester, die einzige Party zu der er sich je angekündigt hatte, von uns verabschiedet hat. Mir gab er einen dieser laschen Händedrücke, bei denen man meint, man drückt eine Papaya, die schon vor 3 Wochen besser gegessen worden wäre. Und sie umarmt er stürmisch, schlingt ihr die Arme um die Taille und gibt ihr zwei Küsschen, oder besser: Küsse, auf jede Wange. Der Tisch ist gedeckt, die Gläser funkeln unter dem neuen zwölfarmigen Lüster, und aus der Küche höre ich ein: Jetzt könnten sie aber langsam mal kom...als es an der Tür klingelt. Typisch. Ich renne in die Abstellkammer, wo ein Gurkenglas noch steht, finde mich in unserem Bad wieder, öffne die Kloschüssel, gieße die Gurken, Dillstangen, Möhrchen mit samt Essigtunke hinein und drücke die Spülung. Als ich die Haustür öffne, sehe ich noch immer die Gurken vor mir, die wie in einem Tornado die Kloschüssel entlang rasen und schließlich im Schlund verschwinden. Deswegen wird mir der Satz des L.s auch erst ein paar Sekunden später bewusst. Nein, nein...es gibt schon Hummer und italienisches Gemüse; das Glas hab ich nur in der Hand, weil es abgelaufen war und ich die Gurken leider entsorgen musste. Ich sehe mich noch Jahre später zusammen zucken, als die R. anhebt: Aber ihr mögt doch garkeine sauren Gurken.
Arakasi - 4. Mai, 00:12
Es ist alles auf dieser Welt so unpassend-unangenehm Unperfekt.
Das macht es ja so fabulös-fantastisch Aufregend.
Arakasi - 30. Apr, 01:05
Er geht im Stadtpark spazieren. Die sandigen Wege sind vom Regen der letzten beiden Tage so aufgeweicht, dass sämtliche Fußabdrücke und Spuren verschwunden sind, das Gras hat wieder etwas grüne Farbe gewonnen und die nächsten dunklen Wolken machen sich bereit die ersten Sonnenstrahlen sofort zu ersticken. Es hatte eine anstrengende Woche gehabt. Durch die Baumwipfel lässt sich der gläserne Bau der Stadtbank erahnen, daneben wirkt die Hütte der Tierhandlung so deplaziert wie er in seinem schwarzen Armanianzug auf dem Kinderspielplatz, den er eben passiert. Der Kinderspielplatz ist menschenleer und auch die großen Schachfelder links davon, wo sich sonst die Alten erbitterte Spiele liefern, glitzern verlassen im Sonnenlicht. Er musste einfach mal aus seiner Wohnung hinaus. Der von Taubenscheiße angegriffene, marmorne Springbrunnen mit verrosteten Hähnen ist noch abgestellt, obwohl es seit Wochen keinen Frost mehr hatte. Er wird noch immer von dem Gefühl geplagt, die Decke seines Stadtpalastes würde ihm auf den Kopf krachen. Die alte Stadtmauer, oftmals für Ballspiele der Kinder genutzt, läuft hier parallel des Weges; oben auf ihr genießt eine braune Katze die wärmenden Morgensonne. Er hebt ein nasses Stöckchen auf. Die verblichenen orangen Abfalleimer quillen über vor lauter Fastfoodverpackungen, angebissenen Hamburgern und abgenagten Geflügelknochen. Er dreht das Stöckchen kurz in seiner Hand und wirft es dann ein Stück weg. Erste Geräusche des allmorgendlichen Berufsvekehrs dringen herüber. Eine Frau mit frisch gewaschenen Haaren schleudert, in einem dieser Häuser direkt hinter der Stadtmauer, ihr billiges Schafsfell aus. Er bleibt stehen, blickt dem Stöckchen nach und wartet. Die grauverhangenen Wolken kämpfen die Sonne nieder, und sofort beginnt es wieder zu regnen. Er merkt, dass er noch nie einen Hund besessen hat und beschließt, nach Hause zu gehen.
Arakasi - 26. Apr, 00:14
Samstag, 22. April 2006
Zwei Sachen rennen mir da im Kopf herum.
Lassen wir sie mal los; aufeinander, miteinander.
Einfach heraus:
Das Gespräch springt
von Thema
zu
Thema,
von Inhalt
zu
Inhalt.
Doch zwischen den Zeilen versteckt
sich irgendwo sehr tief unten
am Boden der Wortwitz. Und meist noch besser versteckt
ist die hintergründige Ironie; vergraben im Boden.
Dieses duo infernale hebt ein Gespräch
über das simple Austauschen von Fakten hinaus.
Übersieht der andere jedoch den Wortwitz und findet die Ironie in
dem Gesagten nicht, so schlägt einem
Vrewirurng!
und
U-n-v-e-r-s-t-ä-n-d-n-i-s!
entgegen.
Welch Wohltat ist es, wenn
zwei auf einer Linie liegen.
Der eine spricht und
der andere versteht.
Und vice versa, umgedreht und anders herum.
"Wahre Freundschaft besteht dann,
wenn das Schweigen zwischen zwei Menschen
angenehm und verbindend wird", sagt
Dave Tyson Gentry.
Ein großer Schweiger?
Oder ein Mann, der wirklich wusste,
wann er zu schweigen hatte?
Bewundernswert.
Vielleicht erst interessant reden, und
dann geschickt, im richtigen Moment einfach
aufhören zu reden und
Arakasi - 22. Apr, 01:53