"Es gab da bei uns an der Küste diese steile Serpentinenstraße, mit zerbrochenen Leitplanken, die wir als Kinder immer mit den Fahrrädern hinunter gejagt sind", wird das Mädchen später einmal seine Antwort beginnen auf die Frage, warum es unbedingt mit dem Fahrrad zum Nordpol fahren müsse. Und fortfahren wird es mit den Worten: "Ich habe es geliebt noch kurz auf das funkelnde Wasser hinaus zu blicken, ehe ich mich in die Kurve stürzte. Dieses Gefühl der Freiheit hoffe ich nun noch einmal zu spüren." Eine gefühlsduselige Antwort, wie die meisten Leser dieses Interviews meinen werden. Doch von all dem weiß das Mädchen jetzt noch nichts, als es unten am Strand wie fast immer als erster ankommt und sich ihr Lieblingseis, Vanille mit Frostsplitter, für 93 cent bei dem heruntergekommenen Kiosk kauft. Und auch ahnt sie nichts davon, dass sie bereits nach einer zurückgelegten Strecke von 7,6 Kilometer landeinwärts aufgeben und umkehren werden muss, weil sie die unendliche Weite, die bittere Kälte und das kaum passierbare Packeis erst unterschätzt und dann gehasst hätte, wie es in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift in einer kleinen Randspalte heißen wird. Und jene Leute, die überhaupt Notiz von dieser Nachricht nehmen werden, werden den Kopf schütteln und sagen, sie hätten schon zuvor gesagt, dass dies unrealistische Traumgespinste einer zu reichen Frau sind.
Das Eis in der einen, den Fahrradlenker in der anderen Hand, trotten das Mädchen und ihre Freunde die Straße wieder nach oben. "Und wenn ich erwachsen bin, will ich so viel Geld haben, dass ich mir soviel Eis kaufen kann wie ich will und jeden Tag mit einem neuen Fahrrad fahren kann", hört der Eisverkäufer das Mädchen noch sagen, ehe es in der ersten Serpentinenkurve verschwindet.
Arakasi - 18. Apr, 02:39
Ich stehe vor dem Fenster und blicke hinaus. Der Himmel ist Wolken verhangen, der Mond kaum auszumachen, der Regen peitscht gegen die Scheibe als wolle er hineingelassen werden unter das vermeintlich schützende Dach. Die sonst so orangenen Straßenlaternen sind knapp drei Stunden nach Mitternacht ausgefallen, wodurch die Dunkelheit in ihrer Schönheit noch verstärkt wird. Ich schließe die Rollläden; graue Lamellen statt schwarzer, interessanter Nacht. Nicht abschweifen wollen mit den verzweifelten Gedanken in die unendliche Leere am Horizont, sondern sich festhalten an dem eintönigen Grau, das von strengen, geraden Linien unterbrochen wird. Mein Spiegelbild wird in der Glasscheibe nur als trüber Schatten erkennbar, das Gesicht ohne Konturen, in einem gesenkten Kopf. Ich hebe den Kopf. Der Schemen tritt aus dem Glas heraus, drückt mich, haucht mir ein "Alles wird gut" ins Ohr, doch ehe ich ihn richtig fassen kann, vergeht er in der Helligkeit so selbstverständlich wie er gekommen ist. Ich lösche das Licht, lasse mich auf das Bett fallen und warte in der Dunkelheit. Als die ersten Morgenstrahlen sich an dem Rollladen vorbei schleichen, schließe ich die Augen; und das Nichts empfängt mich.
Arakasi - 17. Apr, 04:14
00:49 Uhr. Wie kam es soweit?
Der Abend wollte doch nicht
vorbei gehen. Jetzt schaue
ich auf die Uhr, und es ist 00:50 Uhr.
Die Zeit zog sich doch den ganzen Abend
unendlich dahin. Immer gehofft, dass
sich jemand meldet, der mich zu
irgendetwas einlädt. 00:51 steht da
unten rechts. Ich hätte selbst jemanden
anrufen können und sollen. Stattdessen
den Abend so sinnlos verbracht, dass ich
mich nicht mehr erinnern kann, mit was.
Um 00:53 fällt mir das auf. Deutlich zu spät.
Nächstes Mal wird alles anders, beschließe ich,
um 00:54.
Arakasi - 16. Apr, 00:54
Eben noch flogen die Gedanken leicht und beschwingt dahin, ließen sich treiben, verflüchtigten sich und ballten sich wieder um einen hypothetischen Kern - harmlos, spielerisch. Es wird etwas gesagt; vielleicht ist es auch das, was nicht gesagt wird. Ringfinger und Daumen berühren sich sachte, verharren, zweifeln kurz, doch dann reiben sie aneinander und lösen sich; tief in meinem Kopf schnippt jemand mit den Fingern. Es ist ein kurzes, scharfes Geräusch, nicht so laut, dass ich es bewusst hören könnte, aber ich fühle es. Die Gedanken werden kälter, erlahmen, erstarren und frieren ein. Ehe ich nachvollziehen kann, wie etwas erfrieren kann, was niemals blühte, bilden sich Risse auf dem Gedankenkristall. Mit einem Krachen, das ich diesmal deutlich vernehme, birst er in winzige Stücke, die sich in meine Gefühle eingraben und Wunden hinterlassen.
Erst erst jetzt erkenne ich den Schmerz wieder und die Tatsache, dass es nicht das erste Mal war, dass in meinem Kopf sich Finger berührten und schnippten, sondern ich es einfach zuvor nie mitbekommen habe. Ich war vielleicht zu abgelenkt, oder zu realitätsfern. Dieses eine Mal, in diesem Augenblick, kann ich den Auslöser erkennen und benennen. Es hilft mir nichts. Es schmerzt nicht weniger. Es wird wieder passieren. Aber vielleicht schaffe ich es irgendwann die Finger rechtzeitig voneinander zu lösen; und zu brechen. Kein weiteres hartes Geräusch in meinem Kopf, niemals wieder, sondern nur das wohlbekannte, wohltuende Rauschen der Gedanken.
Arakasi - 15. Apr, 01:17
Ich kann sie nicht leiden. Ich kann sie nicht leiden die Menschen, die auf sich selbst unbedingt aufmerksam machen müssen mit Sätzen wie "Und ich..", "Aber ich..", "Bei mir..." oder "Ich habe sogar...", anstatt einfach dem Gesprächsfluss locker zu folgen. In den richtigen Momenten schweigen. Leise sprechen, wenn man gehört werden will, nicht die Stimme erheben und über den Tisch plärren. Gesten und Mimik einsetzen, wenn man nicht völlig platt daher kommen möchte. Etwas Minimalismus. Natürlich und man selbst sein. Nicht alles persönlich nehmen, wissen wer man ist, vielleicht sogar ein wenig über den Dingen stehen, um nicht auf alles eine Riposte geben zu müssen. Unvorhersehbar, aber homogen agieren. Ist es entscheidend, wie man ankommt, oder sich selbst treu zu bleiben? Wie kann man an sich selbst glauben, wenn man nicht weiß, wer man ist und was man will? Es führt ins Nichts. Ich will nicht wagen zu behaupten, dass ich mich tadellos verhalte, aber ich versuche nicht mehr darzustellen, als ich bin. Es gibt so....uhhhm....es klingt so hart: unfähige Menschen mit viel zu hohen Erwartungen. Vielleicht sind es auch nur ihre unerreichbaren Erwartungen, die sie an sich selbst stellen und dann daran scheitern (müssen); zwangsläufig. Verdammt, lebt doch einfach. Man kann nachdenken, traurig sein, lachen, lustig sein, lernen, Fehler machen, Erfahrungen sammeln oder auch nichts davon tun; ich verüble niemanden irgendetwas. Aber es soll mir keiner wiederholt ans Bein pissen, weil er sich selbst für zu wichtig hält.
Arakasi - 14. Apr, 02:52
Du tauchst tief in den Treibsand ein. Am seichten Ende brichst du dir den Hals und steht niemals wieder auf. Das Glashaus in dem du lebtest, wird stark beschleunigt. Engel mögen vielleicht anrufen, aber die Deppen drängen hinein. Bringe etwas Ruhe in deinen Verstand, denn heute ist ein neuer Tag. In meiner Hand hier, ist die Zeit nur Sand. Dünne Linien des Hasses und der Liebe sind dort in dein Gesicht gezeichnet. Aber ich schaue in diese Richtung. In den nächsten sieben Tagen, ändert sich das vielleicht. Wie kann ich die Geschichte aufschreiben, die ging und sich selbst in einem Taschenbuch niederschrieb, es nennt sich: "Der Quell allen Wissens bist du selbst". Es ist ein einsames Buch, unbewegt hochdroben im Regal. Es wird über das ganze Gesicht strahlen und wir werden uns erheben und auf den Wellen eines untergehendes Gefühls reiten. Bringe etwas Ruhe in deinen Verstand, denn heute ist ein neuer Tag. Glückliche Menschen geben diesem untergehenden Gefühl nicht nach. Es wird über das ganze Gesicht strahlen, und wir stehen auf und reiten auf den Wellen dieses untergehenden Gefühls.
Arakasi - 10. Apr, 22:09
Kurz das Ziel fixiert: Ordnung in das Chaos bringen.
Und plötzlich rasen die Gedanken. Sie umschlingen ein Thema. Sie quetschen es aus. Nicht genügend, dass es vollständig verschwindet, aber es regt sich nicht mehr - vorerst. Das Thema noch nicht losgelassen, doch schon über das nächste hergemacht. Soviele Fäden gesponnen, dass der Rote auf der Strecke blieb. Quer. Wild. Unfassbar. Den Weg zum Beginn zurück gefunden, zufällig; tragischerweise: eine neue Runde im Gedankenkarussell. Alles wieder von vorne, und von vorne, und...
Ich bin erschöpft - irgendwann.
Lange das Ergebnis wirken lassen: Irrwege sind aus dem Chaos entstanden.
Arakasi - 7. Apr, 01:57
Ich kannte vor einiger Zeit mal ein Mädchen, das Augen hatte, die schön und wahr wie der Sommer waren. Aber am Morgen bin ich geflohen und hinterließ eine Nachricht; sie lautete:
Eine Tages wirst du geliebt werden.
Ich kann nicht so tun, als ob ich irgendein Bedauern dabei gespürt hätte. Weil jedes gebrochene Herz letztendlich verheilen wird, indem das Blut Nadel und Faden rot hinunterläuft.
Eine Tages wirst du geliebt werden.
Du wirst geliebt werden, wie du es nie zuvor gekannt hast und deine Erinnerungen an mich werden eher wie ein schlechter Traum erscheinen. Nur eine Reihe von Unschärfen, als wäre ich dir niemals begegnet.
Eine Tages wirst du geliebt werden.
Du fühlst dich vielleicht alleine, wenn du einschläfst und jedesmal fließen Tränen deine Wange hinab. Aber ich weiß, dass dein Herz jemandem gehört, den du nur noch nicht getroffen hast.
Eine Tages wirst du geliebt werden.
Arakasi - 3. Apr, 00:03