Ich wollte schon immer mal wissen, ob ich eigentlich die personifiinfizierte Pest bin.
Arakasi - 6. Apr, 21:57
Den Blick stur auf die Aufzugstür gerichtet, sitzt der kleine Junge am Flügel der Hotellobby und hämmert, als wäre der Leibhaftige in seine Glieder gefahren, auf der Tastatur des Steinways herum. Gerade so reichen seine Füße an die Pedale, die er tritt als wäre er Abwehrspieler beim Fußball und müsste den Ball weg grätschen.
Die Menschen fließen wie ein Lavastrom, der sich an einer Friedhofsmauer bricht, um den Jungen und das Piano herum.
Der Geschäftsmann, der schnell an ihm vorbei schreitet, und einen billigen, an vielen Stellen abgewetzten weißen Anzug trägt, nimmt kaum Notiz von ihm, denn er spricht aufgeregt in sein Mobiltelefon, wobei er Wörter verschluckt.
Das alte Ehepaar, das zwei Siam-Katzen in Käfigen mit sich führt und gerade einchecken will, streitet sich darüber, welcher Gattung der Neuen Musik dieses Stück zu zu rechnen sei.
Die Empangschefin wundert sich, dass sie niemand informiert hat, dass ein Wunderkind in ihrem Hotel gastiert und schätzt ihn, mit geübtem Blick, auf sieben Jahre.
Der Page, der gerade das Golfbag eines berühmten Golfers trägt, der gerade zum nächsten Turnier abreist, beneidet den Jungen um seine Jeans von Dolce & Gabbana, die sicherlich ihre zweihundert Euro gekostet hat.
Der Golfstar selbst, der neben dem Pagen geht, und eines dieser hässlichen rosanen Poloshirts trägt, hinterlässt eine kurze Erinnerung in seinem PDA, dass er für seinen Geburtstag in der darauffolgenden Woche noch eine Band braucht.
Der Hausmeister steht ergriffen in seinem Kämmerchen an der Tür gelehnt, durch die die Klänge des Pianos gedämpft klingen. Er wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und putzt sich mit einem gebrauchten Taschentuch aus seiner rechten Hosentasche die Nase.
Die Menschen fließen wie ein Lavastrom, der sich an einer Friedhofsmauer bricht, um den Jungen und das Piano herum.
Die Eltern des Jungen haben die Suite zwei mal nach ihrem Sohn durchsucht, sind der Verzweiflung nahe und durchstreifen jetzt die komplette Etage. Sie war ja von Anfang dagegen ihren Sohn unbeaufsichtigt zu lassen während sie Schlammbäder im Wellnessbereich nehmen. Er war sich sicher, dass ihrer beider Sohn vernünftig ist und die Zeit, in der sie nicht da sein werden, auf seiner Playstation 2 spielen wird.
Der Junge fühlt sich während dessen völlig vereinsamt; und hatte nie Klavierstunden. Die Menschen nimmt er nicht wahr. Es beruhigt ihn möglichst schnell abwechselnd die schwarzen und weißen Tasten zu drücken. Schwarz. Weiß. Schwarz. Weiß.
Arakasi - 10. Mär, 03:14
"Was man begonnen hat, muss man auch beenden", war seit jeher Luciens Motto und so verbrennt er alle seine Bilder, damit er genug Asche hat, die er auf sein Haupt streuen kann. (Die Asche seines vor drei Jahren verstorbenen und verbrannten Havanesers hatte nicht gereicht.) Alle seine Werke verbrennen in diesem wunderbaren Feuer in seinem Pool hinter dem Haus rückstandslos zu Asche. Alle; alles bis auf eines: rote und schwarze Punkte zieren willkürlich die Leinwand, gerade so als wäre ein nasenblutender Mann mit dreckigen Fingern über das Bild gekrabbelt; sein Metallrahmen weigert sich zu verbennen. Bestürzt fischt Lucien den Rahmen aus dem Feuer, hängt ihn sich um den Hals, und fügt sich so schwere Brandwunden an Händen, Hals und Schulterblättern zu.
Doch am nächsten Tag treiben ihn nicht die physischen Qualen, sondern der Schmerz über sein verbranntes Lebenswerk zu ungeahnter schöpferischer Qualität an. Sein erstes Bild zeigt einen nackten, verschwitzten Mann, der einen Kleiderbügel als Krone auf dem Kopf trägt und ganz alleine auf seinem Bett herum springt.
Arakasi - 7. Mär, 23:46
Ich wickle den dreckigen, roten Mond in
Frischhaltefolie und friere ihn tief ein.
Neben dem Kohlrabi und den Möhrchen
liegt er da auf kaltem, blankem Eis.
Wenn ich ihn dann wirklich brauche,
und ihn nicht sehen kann,
weil zuviele Wolken am Himmel sind,
weil es neblig ist,
weil es hell ist,
dann hole ich ihn, wickle ihn wieder aus,
taue ihn auf, und brate ihn mir in der Pfanne
bis er schwarz und knusprig und verbrannt ist.
Dann werfe ich ihn ihn auf den Müll,
weil er ein unsägliches Pathos-Objekt geworden ist
und nichts dagegen gemacht hat.
Arakasi - 5. Mär, 01:00
"Ich bin nicht gut in solchen Dingen", spricht der Boxer und malt weiter Gänseblümchen auf eine Porzellanvase. Hässliche Gänseblümchen auf einer hässlichen Vase. Bald legt er den Pinsel ab, und betrachtet zufrieden sein Werk. "Die schenke ich meiner Angebetenen", bringt er noch heraus, ehe die Vase ihm aus den zerschundenen Händen gleitet und am Boden zerbricht. "Hat nicht sollen sein", bemerkt er lakonisch und kehrt in seine Boxhalle zurück, wo er sich weiter auf seinen nächsten Kampf vorbereitet. Er wird wieder hässliche Veilchen in die hässliche Visage seines Gegners malen, da ist er sich sicher;
denn ungeschlagen sei er und niemand ist in Sicht, der dies ändern könne.
Eines Tages wird er dann doch einen Kampf verloren haben - irgendein junger Wilder hat ihm in der Umklammerung andauernd Schläge in die Nieren verpasst - und daran zerbrechen. Er wird dann umschulen müssen. Vielleicht Töpfern, oder zumindest den Lehm aus der Grube graben. Denn Muskeln wird er dann immer noch haben, nur keine Kraft mehr.
Arakasi - 3. Mär, 02:11
Es war ein herrliches Fondue. Der Langspeer steckt ihm noch immer zwischen der zweiten und dritten Rippe. Er bedauert doch sehr, dass sie ihn nicht in die Wanne voll siedenden Öls bugsieren konnten. Das wäre ein Fest, und ihm wäre es endlich einmal warm gewesen. Zu schwer sei er, sagten sie. Das müssen all die Unzulänglichkeiten sein, die ihm so schwer im Magen lägen, beruhigt er sich und dreht sich auf die Seite, weil man mit dem Speer in der Brust so schlecht auf dem Bauch schlafen kann.
Am nächsten Morgen wacht er auf, macht sich einen Kaffee und läuft vergnügt die fünf Minuten zur Arbeit, wobei der Speer auf und ab federt wie ein Lineal aus billigem Plastik.
Dort stirbt er endlich und wird drei Tage später verbrannt - ohne Öl, dafür aber mit viel Wasser.
Arakasi - 1. Mär, 23:24
Ich sah jemanden,
Der mich an dich erinnerte,
Bevor du ängstlich wurdest.
Ich wünsche du hättest so bleiben können.
Ich sah ein kleines Mädchen.
Ich blieb stehen und lächelte sie an.
Sie schrie und rannte weg.
Das passiert mir mehr und mehr zur Zeit.
Und diese Lieder, die du singst
Bedeuten die denn irgendwas
Für die Menschen, denen du sie vorsingst?
Menschen wie du.
Ich sah die Fotografie
Einer Frau, die ein Bad
In hundert Dollar Noten nimmt.
Wenn die Kälte sie nicht tötet; das Geld wird es.
Ich las eine Zeitschrift
In der stand, dass mit 17
Dein Leben an einem Ende angekommen ist.
Ich bin tot und vollkommen zufrieden.
Und diese Lieder, die ich singe,
Bedeuten die denn irgendwas
Für die Menschen, denen ich sie vorsinge?
Menschen wie du.
Und diese Lieder, die wir singen,
Bedeuten die denn irgendwas
Für die Menschen, denen wir sie vorsingen?
Heute Nacht tun sie es.
Charlotte Gainsbourgh - The Song That We Sing
Arakasi - 1. Mär, 00:26
Es regnet Grießbrei an der Front, als Gefreiter Steeger plötzlich aufsteht, um über die Schokoladengräben zurück zu blicken. Unter ihm färbt sich der glitschige Boden rot, als würde man zu dem Griesbrei Hagebuttenmarmelade essen, doch ist es das Blut von den Kugeln, die sich durch sein Fleisch fressen. Beruhigt, dass hinter ihm noch alles in bester Ordnung ist, kniet sich Steeger wieder hin und steht nicht wieder auf Hauptmann Kohlmann verteilt eine Runde Zigaretten und gibt als Tagesziel die Brotkrustenabsperunng 70 Meter weiter vorne bekannt. Dazu passt dann zumindest die Hagebuttenmarmelade.
Arakasi - 28. Feb, 00:25
Isolierter Sonnenschein frisst sich
kalt in meinen verdrahteten Kopf.
Würde ich den Teddybären nicht
in den Armen halten, würde ich dich freundlich,
mit Verbeugung, zum Tanze auffordern.
Doch ich verkrieche mich unter der
Bettdecke aus Maulwurf. Sie schreien:
"Die Luft ist dicht mit Geistern"
Ich weiche den Stalagmiten aus,
die sich aus meiner Matratze bohren.
Morgen werde ich nach New York reisen,
um dort 5 Wochen durch zu schlafen.
Dann baue ich einen Tunnel unter dem
Broadway, und komme so Abend für Abend
in jedes Theater-Musical-Kino.
Arakasi - 26. Feb, 00:38